Warum du dich immer wieder in die falschen Menschen verliebst – Neurowissenschaftler erklären die versteckte Psychologie

Warum du dich immer wieder mit den falschen Partnern verbindest: Die psychologische Erklärung

Wir alle kennen es: Nach einer weiteren toxischen Beziehung schwören wir uns, es beim nächsten Mal besser zu machen. Wir erkennen Muster, wollen bewusste Entscheidungen treffen – und trotzdem landen wir erneut in einer Beziehung, die uns nur allzu vertraut vorkommt. Und das auf keine gute Art.

Wenn dir das bekannt vorkommt, bist du nicht alleine. Es gibt gut erforschte psychologische und neurobiologische Gründe, warum wir oft an denselben Beziehungstypus geraten – selbst wenn unser rationaler Verstand längst Alarm schlägt.

Das unbewusste System hinter deiner Partnerwahl

Unser Gehirn ist bei Herzensangelegenheiten kein rationaler Entscheider. Laut Neurowissenschaftler Gerald Zaltman von der Harvard Business School beruhen etwa 95 % unserer Entscheidungen auf unbewussten Prozessen.

Der Psychologe Harville Hendrix, Begründer der Imago-Therapie, beschreibt: Wir fühlen uns oft unbewusst zu Partnern hingezogen, die uns an unsere primären Bezugspersonen erinnern – meist an Mutter oder Vater. Unser Gehirn interpretiert „vertraut“ als „sicher“, selbst wenn das vertraute Muster schmerzhaft, destruktiv oder emotional distanziert ist. Solange unsere inneren Prägungen unreflektiert bleiben, kann das Unterbewusstsein Partner bevorzugen, durch die wir Altes reinszenieren – und erneut durchleben.

Bindungsstile: Die eingefrästen Beziehungsautomatismen

Die Bindungstheorie, entwickelt von John Bowlby und später von Mary Ainsworth erweitert, zeigt, wie frühe Bindungserfahrungen unsere späteren Beziehungen beeinflussen. Je nachdem, wie sicher oder instabil die emotionale Verbindung zu den Bezugspersonen war, entstehen unterschiedliche Bindungsstile.

Ängstlicher Bindungsstil

Menschen mit einem ängstlich-ambivalenten Stil (ca. 20 % der Erwachsenen) fürchten häufig, nicht genug zu sein. Sie klammern sich oft an schwer erreichbare Partner – unbewusst, um Altbekanntes zu bestätigen: das Gefühl, um Liebe kämpfen zu müssen.

Vermeidender Bindungsstil

Vermeidende Bindungstypen (rund 25 % der Erwachsenen) haben Nähe früh als riskant erlebt. Sie schützen sich, indem sie emotionale Distanz bevorzugen oder Partner wählen, die niemandem nahekommen – so bleibt das Risiko von Verletzung vermeintlich gering.

Desorganisierter Bindungsstil

Etwa 5 – 10 % der Menschen zeigen desorganisierte Bindungsmuster, die aus inkonsistenten oder traumatisierenden Erlebnissen in der Kindheit resultieren. Nähe löst einerseits Sehnsucht, andererseits Angst aus – was zu instabilen, konfliktbeladenen Beziehungen führt.

Wiederholungszwang: Wenn die Psyche alte Drehbücher aufwärmt

Laut Sigmund Freud existiert in uns ein unbewusster Mechanismus, den er „Wiederholungszwang“ nannte. Wer emotionale Verletzungen nicht verarbeitet hat, sucht oft Menschen, die ähnliche Verletzungen neu auslösen – in der unbewussten Hoffnung, es diesmal „richtig“ zu machen.

Psychologin Dr. Lisa Firestone erklärt diesen Mechanismus: Wir wiederholen alte Muster, weil sie uns ein Gefühl von Kontrolle geben. Selbst wenn diese Kontrolle eine Illusion ist. Vielleicht versuchst du unbewusst, das emotional abwesende Elternteil zu „reparieren“, indem du einen ebenso emotional zurückhaltenden Partner zum Bleiben bringst. Das Problem: Es funktioniert selten. Aber dein inneres System hält daran fest – bis du es bewusst hinterfragst.

Liebe als biochemischer Rausch: Die Rolle der Neurotransmitter

Studien der Anthropologin und Liebesforscherin Helen Fisher zeigen, dass beim Kennenlernen Neurotransmitter wie Dopamin, Noradrenalin und Serotonin die Hauptrolle spielen. Besonders in instabilen Beziehungen kommt es zu sogenannten Dopamin-Kicks, die wie Suchtverstärker wirken – ähnlich wie bei Glücksspiel. Ein Muster entsteht: Auf jede Phase der Ablehnung folgt eine kleine Zuwendung, ein „emotionaler Jackpot“. Das Belohnungszentrum wird aktiviert – und macht dich abhängig vom Partnerschaftschaos.

Trauma-Bonding: Wenn Schmerz wie Nähe wirkt

Patrick Carnes prägte den Begriff „Trauma-Bonding“ für Bindungen, die aus wiederholten Zyklen von Nähe und Zurückweisung entstehen. Besonders in emotional missbräuchlichen Beziehungen wird das Belohnungssystem aktiviert – was die ungesunde Bindung intensiviert, nicht schwächt. Das Gehirn lernt: Schmerz gilt als Bindungssignal. Und genau das führt dazu, dass sich destruktive Beziehungen besonders intensiv anfühlen – obwohl sie uns schaden.

Die Projektionen des Herzens: Du siehst nicht den anderen, sondern dich selbst

Der Psychologe Carl Gustav Jung beschrieb das Phänomen der Projektion sehr genau. Wir projizieren Anteile unseres Selbst – Wünsche, Sehnsüchte, Ängste – auf andere Menschen. Besonders in der Frühphase der Verliebtheit entsteht so oft ein Idealbild, das mit dem realen Gegenüber kaum etwas zu tun hat.

Problematisch wird es, wenn man im anderen dauerhaft etwas sehen will, was dieser nicht ist. Die Enttäuschung ist vorprogrammiert – ebenso wie der Kreislauf von Illusion und Ernüchterung.

Anima und Animus: Innere Bilder beeinflussen äußere Wahl

Laut Jung tragen Männer ein unbewusstes Bild der idealen Frau („Anima“), Frauen ein entsprechendes Männerbild („Animus“) in sich. Diese inneren Vorstellungen beeinflussen, wen wir als potenziellen Partner wahrnehmen – und worin wir uns dann oft täuschen.

Dein Selbstwert zieht deine Beziehung an

Der Psychologe Nathaniel Branden beleuchtet eine schmerzhafte Wahrheit: Du wirst keinen Menschen dauerhaft in dein Leben lassen, der dich besser behandelt, als du dich selbst behandelst. Dein tatsächliches Selbstbild – nicht dein Wunschbild – wirkt wie ein Filter bei der Partnerwahl. Wer sich im Inneren für „nicht genug“ hält, blendet oft Menschen aus, die ihn liebevoll behandeln, und zieht Menschen an, die dieses negative Selbstbild bestätigen.

Komplementäre Muster: Wenn sich Schwächen „perfekt“ ergänzen

Manche Paare scheinen sich ideal zu ergänzen – aber nur auf den ersten Blick. Wer Schwierigkeiten mit Abgrenzung hat, fühlt sich vielleicht unbewusst zu jemandem hingezogen, der ständig über Grenzen geht. Das ergibt kurzfristig ein geschlossenes System, langfristig führt es aber zu Schmerz und Ohnmacht.

Therapeuten sprechen hier von „komplementären Neurosen“ – zwei unbewältigte Muster, die sich wie Puzzleteile ineinanderfügen, ohne dass sie dadurch heilen.

Generationenübergreifende Beziehungsmuster

Familiäre Beziehungsmuster hinterlassen tiefere Spuren, als vielen bewusst ist. Systemische Forschung zeigt, dass viele Menschen unbewusst Beziehungskonflikte ihrer Eltern oder Großeltern wiederholen – nicht genetisch vererbt, sondern durch Erziehung, Beobachtung und emotionaler Prägung erlernt. Diese „unsichtbaren Loyalitäten“ führen dazu, dass wir dysfunktionale Muster nicht als problematisch erkennen, sondern als das, was wir für Liebe halten.

Du kannst das Muster durchbrechen

Das Beste an der Sache: Beziehungsmuster sind formbar. Dank der Plastizität des Gehirns kannst du dich neu ausrichten – Schritt für Schritt. Der Schlüssel liegt im Bewusstwerden: Wer erkennt, was er unbewusst tut, kann es bewusst verändern.

5 Schritte, um deine Muster zu transformieren

  • Muster erkennen: Analysiere vergangene Beziehungen: Gab es wiederkehrende Themen, Dynamiken oder Konflikte?
  • Bindungsstil erforschen: Ein Selbsttest oder therapeutisches Gespräch hilft dir, deinen Bindungsstil zu verstehen.
  • Selbstwert aufbauen: Achte darauf, wie du mit dir selbst sprichst, was du dir zutraust – und wie liebevoll du mit dir bist.
  • Langsamkeit üben: Verliebtsein ist biochemisch intensiv. Gib dir Zeit, die Realität hinter den Hormonen zu erkennen.
  • Professionelle Begleitung: Ein erfahrener Coach oder Therapeut hilft dir, hartnäckige Muster tiefer aufzulösen.

Liebe beginnt in deinem Inneren

Wenn du immer wieder die falschen Partner anziehst, ist das kein Zeichen von Pech – sondern ein Hinweis auf innere Wunden, die nach Aufmerksamkeit verlangen. Beziehung ist wie ein Spiegel: Sie zeigt dir, was du über dich selbst glaubst.

Aber du bist nicht verurteilt, in diesen Mustern zu bleiben. Je bewusster du wirst, desto mehr Macht hast du zu gestalten – statt nur zu wiederholen. Erkenntnis ist der erste Schritt. Veränderung ist möglich. Und echte, gesunde Liebe beginnt mit der Entscheidung, dich selbst ernst zu nehmen.

Warum fühlst du dich oft zu den Falschen hingezogen?
Vertrautes wirkt wie Sicherheit
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Ich idealisiere zu schnell

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